Leseprobe |
Dimitris Schützling war ein merkwürdiger Mensch. Wenn er aus der Molkerei zurückkehrte, nahm einen Imbiss zu sich, zog sich dann in die für ihn bereitete Kammer zurück und kein Mensch wusste, was er da tat. Das zum Garten hinausgehende Fenster war bis zum Morgen geöffnet. Hinter dem Vorhang rauchte eine Petroleumlampe und ihr Qualm war durchsetzt von Alkoholdunst, zusammen mit dem stechenden Geruch von Farben, die in Blechdosen sich mischten.
Des Morgens, wenn Nikala und Dimitri sich auf den Weg zum Jahrmarkt gemacht hatten, betrat Sabedo auf Zehenspitzen die winzige Kammer des Schützlings, machte sein Bett, sammelte die Zigarettenkippen vom Boden, leere Flaschen, Weingläser, kleine und große Pinsel mit angetrockneter Farbe, und warf einen Blick auf die an der Wand lehnenden schwarzen Wachstücher. Sie sah einen blauen Himmel mit weißen Wolken, eine grüne Wiese, einen Tisch voll verschiedenster Delikatessen, vornehme Herren mit gezwirbelten Schnurrbärten und Trinkhörnern in der Hand, Tiere, Alltagsszenen, Dorflandschaften, und sogar – Gott, vergib mir – vollbusige, schamlos entblößte Frauen … die Peinlichkeit trieb Sabedo das Blut in die Wangen. Sie wandte ihren Blick von den Wachstüchern. Zuckte mit den Schultern, bekreuzigte sich. Für sie, nicht nur für ihre Familie, sondern auch für das Sioni-Viertel, für die Stadt zu beiden Seiten des Mtkvari, für die ganze Welt breitete sich hier die vorerst noch fremde, unenthüllte, unberührbare, unfassbare Welt von Nikala aus.
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