2024-10 Rezensionen

qantara.de: Das Leben als Schachspiel

In ihrem Debütroman „Der Freund“ entwirft Autorin Kuzay Topuz ein komplexes Geflecht aus Fragmenten und Perspektiven. Es geht um Fragen von Macht und Einfluss im Zwischenmenschlichen wie auch auf gesellschaftlicher Ebene. Ein großer Wurf. Die erste Seite des Buches, direkt über diesen beiden Sätzen, ziert die mysteriöse Zeichnung eines Spielbretts. Als „Dialektik“, „Gedankenverbrechen“, „Glanzvolle Zeit“ oder „Nostalgie“ sind einige der Felder beschrieben. Was hat es damit auf sich? Das erfährt man im Laufe des Buches, in dem die Ich-Erzählerin und ihre ältere Adoptivschwester mit dem bezeichnenden Namen Sevgi (Liebe) ihre Figuren über das Brett wandern lassen, das die Erzählerin aus dem Staub ihrer Kindheit gekramt hat.
Und wie so viele Kindheitserinnerungen ist auch diese diffus: Sie mochte das Spiel, weiß aber nicht mehr, wie es gespielt wird. Also erfindet sie es neu, während sie im selben Atemzug Sevgi ihre ganz eigene Variante des Spiels beizubringen versucht. Sie heißt: Wer war und wo ist unser verschwundener Freund? Und war er überhaupt je ein Freund? Freund – was soll dieses Wort bedeuten? Weiterlesen

#fraulehmannliest – Instagram zu Kuzey Topuz »Der Freund«

»Heute habe ich eine ziemlich ungewöhnliche Empfehlung für euch. Denn ich empfehle ein Buch, dass ich nicht gelesen bzw gleich fünfmal wieder abgebrochen habe.
Es geht um zwei Frauen und einen in seiner Abwesenheit dennoch sehr anwesenden Mann.
Ich habe mich relativ schnell, aufgrund eigener Erlebnisse, bedroht gefühlt und habe daher immer wieder aufgeben müssen. Dieses Gefühl unterschwelliger Bedrohung transportiert das Buch hervorragend. Und gerade deshalb sollte es von denen, die es aushalten, auch gelesen werden.
Außerdem werden diejenigen es sehr zu schätzen wissen, die auf schöne Gestaltung achten oder Ausschau halten nach vielversprechenden jungen Autorinnen.«

qantara.de: Istanbul, ein Bellen, ein Möwenlachen

Istanbuls Könige sind die Möwen, die Katzen und Hunde in den Gassen und die Tauben am Taksim-Platz. Auch aus der Literatur sind sie nicht wegzudenken. Eine neue Anthologie mit Kurzgeschichten von türkischen Autorinnen und Autoren setzt den Tieren der Stadt ein erzählerisches Denkmal. […] Der Ansatz dieser Anthologie ist so naheliegend, dass man sich fragen muss, warum noch niemand zuvor auf die Idee gekommen ist, eine derartige Sammlung von Geschichten herauszugeben. Das Ergebnis jedenfalls ist gelungen. 

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Virginia FrauenBuchKritik Herbst 2024

Über 2000 Jahre Landesgeschichte und jüngste Ereignisse aus den letzten Jahrzehnten, die das Istanbul von heute maßgeblich prägen, vereinen sich dicht gedrängt auf gut 360 Buchseiten. … Ihr Blog geht dabei weit über die bloße Niederschrift eigener Erlebnisse hinaus, sondern umfasst ein Konvolut an Erinnerungen eines ganzen Landes

Luxemburger Tagblatt: Wie schön doch der Regen ist!

Um es vorweg zu nehmen: die Spannung des 368 Seiten langen Blog-Romans erschöpft sich nicht in der Frage, wann es endlich zum Wiedersehen mit Zeynep kommt. Sondern wird in der Stimme der Ich-Erzählerin vermittelt, die sich mit unvoreingenommenem Blick auf ihre Umgebung einlässt. Sie stellt viele Fragen, sie fühlt mit, sie lässt uns an ihren Recherchen teilhaben, erklärt die großen geschichtlichen und politischen Zusammenhänge quasi en passant, geht auf die Verfolgung von Griechen, Armeniern und Kur- den im 20. Jahrhundert ein; sie wird Zeugin verbotener Frauen- Demonstrationen, spürt Dichtern wie Nâzım Hikmet oder Can Yücel nach, übersetzt ein Gedicht der Dichterin Nigâr Hanım. […] Überhaupt ist die heimliche Heldin dieses Romans die Sprache, die sich in jedes Abenteuer stürzt, um ihr Gegenüber kennenzulernen. Sabine Schiffner, die selbst fünf Sprachen fließend spricht, lässt uns an ihrer faszinierenden Methode der Annäherung teilhaben. 

2024-05 »Die Schlange, der Tod und die Partei«

7. Oktober 2024